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by Barbara Könches
„Frauen in der ZERO-Gruppe? Die gab es nicht.“ – Ein weit verbreiteter und hartnäckiger Irrglaube
Das Vorurteil, dass die ZERO-Bewegung nur aus Männern bestand, ist so alt wie langlebig und falsch. Es gab Künstlerinnen, Galeristinnen, Journalistinnen, die sich in der und für die ZERO-Kunst engagierten. Wenngleich es wenige waren, so sind deren Beiträge nicht weniger wert. Dieser Essay widmet sich den Frauen im ZERO-Kreis, weil sie häufig in den kunsthistorischen Darstellungen und Einführungen nicht genannt oder peripher behandelt wurden oder es selbst vorzogen, nicht in den Vordergrund zu treten.
Wer nun zu ZERO gehörte und wer nicht, ist eine andere, ebenso generelle wie umstrittene Frage. Dennoch lohnt es sich beispielsweise die von Thekla Zell für den Ausstellungskatalog ZERO. Die internationale Kunstbewegung der 50er und 60er Jahre[i] zusammengestellte Chronologie durchzugehen und die Beteiligungen der einzelnen Künstlerinnen zu zählen. Am häufigsten, nämlich 16-mal, war Yayoi Kusama (*1929) in ZERO-Ausstellungen vertreten. Nanda Vigo (1936-2020) zeigte 14-mal ihre Arbeiten in diesem Umfeld, Dadamaino (1930-2004) 10-mal, Grazia Varisco (*1937) 9-mal, Martha Boto (1925-2004) 5-mal. Manche Künstlerinnen wie Marianne Aue (1934-2016), Hanne Brenken (1923-2019), Vera Molnar (1924-2023), Rotraut (*1938) oder Lygia Clark (1920-1988) waren nur 1-mal an einer im Umfeld von ZERO präsentierten Schau vertreten. Die von Zell aufgeführten insgesamt 119 Expositionen sind 80-mal ohne Beteiligung von Frauen durchgeführt worden beziehungsweise im Umkehrschluss haben lediglich in 39 Ausstellungen auch Künstlerinnen ihre Werke gezeigt. Das heißt an rund 33% Prozent der Präsentationen haben Frauen teilgenommen.
Die Gründe hierfür sind vielfältig. Man findet sie sicherlich im historischen Zeitkontext einer patriarchischen Gesellschaftsstruktur der 1950er- und 1960er-Jahre. In einem Metier wie der Kunst, in dem es keine festen Gehälter, keine Anstellungen und Verträge gibt und das von stabilen Netzwerken mit Galerist*innen oder Kurator*innen abhängt, war es für Frauen zusätzlich schwer.
Es kann und soll in dem vorliegenden Text nicht darum gehen, eine Benachteiligung a posteriori auszugleichen, moralisch zu beurteilen oder die „männliche Dominanz“ zu bewerten. Vielmehr soll versucht werden, die Geschichte in Form von Geschichten zu verstehen. Gleichzeitig werden mit jeder Schilderung auch die Lücken und die blinden Flecken deutlicher.
[i] Thekla Zell, „Wanderzirkus ZERO. Dokumentation der Ausstellungen, Aktionen, Publikationen 1958-1966“, in: ZERO. Die internationale Kunstbewegung der 50er und 60er Jahre, hrsg. von Dirk Pörschmann, Margriet Schavemaker, Ausst.-Kat. Martin-Gropius-Bau Berlin, Köln 2015, S. 19-178. Zell beginnt die Chronologie mit der 7. Abendausstellung bzw. der Herausgabe von ZERO 1.
Als Heinz Mack (*1931) und Otto Piene (1928-2014) 1957 begannen, in ihrem Düsseldorfer Atelier in der Gladbacher Straße 69 Ausstellungen zu organisieren, waren sie beide Mitglieder in der Gruppe 53, „einem Kreis vor allem junger ideenreicher Künstler[*innen], aus dem viele der späteren Avantgarde zuzurechnen sind, die sich hier kurzfristig zu einer auf die Zukunft gerichteten Initiative zusammenfanden“[i]. In den ersten Abendausstellungen stimmten Programm- wie Künstler*innenauswahl mit der durch das Informel bestimmten Gruppe 53 überein. Erst mit der 4. Abendausstellung, die Piene selbst als die entscheidende auffasste[ii], wandten er und Mack sich vom Informel ab und begaben sich künstlerisch wie auch theoretisch auf den Weg hin zu „ZERO“, dessen „Geburtsstunde“ mit der 7. Abendausstellung und mit der gleichnamigen Publikation zusammenfiel.
Zuvor, in der 2. Abendausstellung, waren zwei Künstlerinnen aus der Gruppe 53 beteiligt: Herta Junghanns-Grulich (1912-1990) und Anneliese Külzer-Winter (1921-1965).[iii]
[i] Marie-Luise Otten, „Auf dem Weg zur Avantgarde – Künstler der ‚Gruppe 53‘“, in: Auf dem Weg zur Avantgarde – Künstler der Gruppe 53, hrsg. von Marie-Luise Otten, Ausst.-Kat. Museum der Stadt Ratingen, Heidelberg 2003, S. 9-21, hier S. 9.
[ii] Vgl. Otto Piene, handschriftlicher Text, Groton, MA, 2.1.1998, Piene Archiv CAVS.
[iii] Des Weiteren: Fritz Bierhoff, Claus Fischer, Fathwinter, Albert Fürst, Herbert Götzinger, Rolf Sackenheim.
Die heute fast vergessene Herta Junghanns-Grulich malte ihr letztes gegenständliches Bild bereits 1941[i], um von da an mit Pigmenten und Chemikalien zu experimentierten, in der Absicht, Bewegung sichtbar zu machen. Sie war fasziniert von chemischen und biologischen Prozessen[ii], die sie in ihren Arbeiten thematisierte wie zum Beispiel Am Rande der Strömung, vor 1961; Blaues Bild II. Photosynthese, vor 1976, oder Horizontal-dynamisch, 1950/55. Betrachtet man diese Bilder, so erkennt man breite, mit dem Rakel plan gezogene Farbbahnen und in der formalen Behandlung der reinen Farboberfläche durchaus eine Verwandtschaft zu den damaligen Bildern von Heinz Mack und Otto Piene.
[i] Marie-Luise Otten (wie Anm. 2), S. 210-211.
[ii] Sie besuchte mit ihrem Mann Georg Grulich u. a. die Vorträge der Kant Gesellschaft und des Naturwissenschaftlichen Vereins, s. Georg Grulich an Herta Junghanns-Grulich, Düsseldorf, im Mai 1991, Archiv Herta Junghanns-Grulich, Düsseldorf.
Wenngleich Junghanns-Grulich mit Rakel und Spachtel die Farbe auf- beziehungsweise abträgt und damit Anklänge an das Informel wachruft, so unterscheiden sich ihre Arbeiten durch eine klare Helligkeit und indem sie starke Lichtakzente setzt. Während des Zweiten Weltkriegs musste die Künstlerin auf Farben und Leinwände verzichten und sie begann, aus Wollresten Stoffbilder zu weben. Offensichtlich beeinflusste die dem Weben zugrunde liegende Struktur ihr zukünftiges künstlerisches Schaffen. Und eben diese Struktur fügte sich perfekt in das langsam entstehende stilistische Spektrum der ZERO-Kunst. Mack und Piene müssen ihre Werke geschätzt haben, jedenfalls wurde sie auch zur Beteiligung an der 7. Abendausstellung eingeladen[i], und darüber hinaus besuchte Piene das Atelier der Künstlerin mit seinen Schülerinnen der Modeschule.[ii]
[i] Listen der einzuladenden Künstler*innen, Archiv der ZERO foundation, Nachlass Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.IV.67, mkp.ZERO.2.IV.68.
[ii] Vgl. Georg Grulich (wie Anm. 6).
Bei der legendären 7. Abendausstellung mit dem Titel Das rote Bild waren insgesamt 42 Künstler und 3 Künstlerinnen vertreten, neben Herta Junghanns-Grulich noch Hanne Brenken und Hal (Hannelore) Busse (1926-2018). Bei den beiden zuerst Genannten schweigt das Archiv der ZERO foundation über die Umstände der Einladung.[i]
Anders hingegen verhält es sich im Fall von Hal Busse. Am 9. März 1958 schreibt Otto Piene an die sehr „geehrte Frau Busse!“, dass er über „Herrn Seitz, der Sie grüssen lässt“, ihre Adresse bekommen habe.[ii]
[i] Was sicherlich damit zusammenhing, dass die Künstler*innen alle in Düsseldorf lebten.
[ii] Vgl. Fritz Seitz an Otto Piene, Stuttgart, 6.03.1958, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.853. Mit dem Künstler, Grafik-Designer und Autor Fritz Seitz (1926-2017) standen Mack und Piene in den frühen ZERO-Jahren in regem Austausch.
„Ich möchte Sie einladen, sich an der Mitte April stattfindenden Abendausstellung ‚Das rote Bild‘ zu beteiligen. Die Ausstellung wird von ca. 30 Malern mit je einem Bild bestritten werden (u.a. Brüning, Geiger, Kaufmann, Mathieu, Mack, Piene, Thieler, Wind, Yves).“[iii]
[iii] Karte von Otto Piene an Hal Busse, o. O., 9.03.58, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.809.
Und bereits zwei weitere Tage später antwortet Piene diplomatisch:
„Ein mittleres Formar [Format] wird vielleicht am geeignetsten sein (etwa 100 mal 100). Wenn Sie zwei rote Bilder verfügbar haben, können Sie auch für den Eventualfall zwei Bilder schicken.“[i]
[i] Karte von Otto Piene an Hal Busse, Düsseldorf, 12.03.58, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.I.811.
Was die Künstlerin auch tat![i]
[i] Vgl. Karte von Hal Busse an Otto Piene, Stuttgart, 21.03.58, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.I.812_1. Petra Gördüren vermutet, dass Busse drei Bilder gezeigt habe, da sie auf das Einladungsschreiben von Piene notierte: „1. rotes Bild 2 (sic) Nagelreliefs“ (Archiv Hal Busse, Hamburg). Es ist davon auszugehen, dass es sich um Ordnungszahlen handelt und bei der Zahl Zwei der Punkt fehlt. Angesichts der Räumlichkeiten in der Gladbacher Straße 69 und der 45 ausstellenden Künstler*innen ist es äußerst unwahrscheinlich, dass Busse drei Arbeiten ausstellen konnte. S. dazu Petra Gördüren, „‚Bin ich dann heute gegenständlich und morgen nicht?‘ Hal Busses künstlerischer Werdegang zwischen Figuration und Abstraktion“, in: Hal Busse. Das Frühwerk 1950-70, hrsg. von ders., Dorothea Schöne, Ausst.-Kat. Kunsthaus Dahlem, Berlin 2019, S. 12-41, hier S. 28, 39. Der im NL Piene erhaltene Frachtbrief teilt mit, dass „1 Kiste Bilder“ im Versicherungswert von 515 DM von Hal Busse am 14. April 1958 verschickt wurde. Archiv der ZERO foundation, NL Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.III.170.
Hal Busse sah die 7. Abendausstellung zu ihrem Bedauern nicht selbst, „Düsseldorf ist leider etwas weit“[i] von Stuttgart, wo Busse mit ihrem Mann Klaus Bendixen (1924-2003) lebte.
Welches aber waren ihre zwei Beiträge für die Ausstellung Das Rote Bild in der Düsseldorfer Gladbacher Straße 69?
Hal Busse schrieb auf eine Abbildung eines ihrer Werke: „In der Ausstellung ‚IM MATERIAL‘ eine Korrektur zum roten Nagelrelief im Katalog“.[ii] Unterhalb der Reproduktion: „Dieses Bild hing mit dem roten Relief 1958 in Düsseldorf. Ausstellung ‚das rote Bild‘, Düsseldorf 1958 Eröffnung, zusammen mit dem Nagelrelief ausgestellt, das sich im Besitz der Galerie der Stadt Stuttgart befindet. Bitte um Änderung der Jahreszahl 1959 in 1958.“[iii]
[i] Brief von Hal Busse an Otto Piene, nicht datiert, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.I.814.
[ii] Archiv Hal Busse, Hamburg. Vgl. Barbara Heuss-Czisch, Angelika Weissbecher (Hrsg.), Im Material: Objekte und Assemblagen der 60er Jahre in Stuttgart, Ausst.-Kat. Württembergischer Kunstverein, Stuttgart 1986.
[iii] Wie Frederik Schikowski nachweisen konnte, datierte Busse Werke nachträglich – auch zu ihrem Nachteil. Ders., „Hal Busses ‚Montagen‘. Ein kaum bekannter Beitrag zur frühen konkret-konstruktiven Kunst der Bundesrepublik“, in: Gördüren, Schöne (wie Anm. 14), S. 42-57.
Busse bat darum, beide Arbeiten schnell zurückzubekommen, da sie diese auf einer „Kollektivausstellung“ Mitte Mai in Stuttgart zeigen wollte.[i] Ein persönliches Zusammentreffen hat zu dieser Zeit offenbar weder mit Piene noch mit Mack stattgefunden. Vielmehr lässt Hal Busse Heinz Mack grüßen und fügt hinzu: „H. Mack hat uns hier einmal aufgesucht und nicht angetroffen.“[ii]
Im Juni des Jahres verspricht Piene sich bei einem Abstecher nach Schwaben zu melden.[iii] Der Kontakt wird wortwörtlich herzlicher. Im Juli berichtet Busse, dass sie aus Venedig zurückgekehrt sei, „wo einiges [schwer lesbares Adjektiv] interessant (sic) ist, innerhalb der Biennale. […] Ihr gelbes Bild ist mir in allerbester Erinnerung auch noch nach diesem internationalen Kunstmarkt, der auf jeden Fall […] instruktiv und anregend ist, viel mehr als die Künstlerbundausstellung.“[iv] Die erwähnte Künstlerbundausstellung fand vom 17. Mai bis zum 13. Juli 1958 in den Grugahallen in Essen statt. Hal Busse und Klaus Bendixen stellten je ein Werk aus, Heinz Mack und Otto Piene waren mit je zwei Werken vertreten,[v] letzterer mit dem Rasterbild Gelbhellhell, 1958. Dieses Bild dürfte Busse in ihrem Brief gemeint haben. Vielleicht erkannte sie in den Arbeiten Pienes eine Seelenverwandtschaft, denn im gleichen Jahr entstand ihre große Arbeit Bild 58, gelb, 1958. Gut möglich, dass Pienes gelbes Raster-Bild die Stuttgarter Künstlerin zu ihrer Arbeit anregte. Doch wenngleich oberflächlich gesehen, sich eine Ähnlichkeit in Form von gelben Punkten einstellt, so basieren die Werke auf gänzlich anderen stilistischen Voraussetzungen: bei Piene aus den Experimenten mit Sieben und Rasterfolien, bei Busse aus einer zutiefst malerischen Haltung, die auf den flirrenden Lichtern des Impressionismus fußt.[vi]
[i] Vgl. Hal Busse an Otto Piene, o. O., o. D., Archiv der ZERO foundation, NL Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.I.814. Weder im Ausst.-Kat. Gördüren, Schöne (wie Anm. 14) noch im Ausst.-Kat. Farben, die blühen – Die Malerin Hal Busse, hrsg. von Marc Gundel, Städtische Museen Heilbronn, Heilbronn 2006, ist eine Gruppenausstellung in Stuttgart 1958 aufgeführt. Jedoch hatte sie in diesem Jahr eine Einzelausstellung Hal Busse. Bilder und Montagen in der Stuttgarter Galerie Behr.
[ii] Brief von Hal Busse an Otto Piene, Stuttgart, 9.5.58, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.I.815.
[iii] Vgl. Karte von Otto Piene an Hal Busse, Düsseldorf, 17.06.58, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.I.814.
[iv] Karte von Hal Busse an Otto Piene, Stuttgart, 3.07.58, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.I.818.
[v] Vgl. Deutscher Künstlerbund, Achte Ausstellung, mit Sonderausstellung Handzeichnungen, Ausst.-Kat., Essen, 17.05.-13.07.1958, ohne Seitenangaben. Darin verzeichnet: Otto Piene, Gelbhellgelb, 1958, 78 x 96 cm, Öl.
[vi] Vgl. Barbara Könches, „Klatschmohnfelder in der Zone Null. Hal Busse und die Gruppe ZERO“, in: Hal Busse. Eine Wiederentdeckung, hrsg. von Ute Eggeling, Michael Beck, Düsseldorf 2023, S.42-45, hier S. 43-44.
Die Düsseldorfer und die Stuttgarter Szene wurden allerdings nicht nur durch die Empfehlung Fritz Seitz´ miteinander in Kontakt gebracht, sondern ebenfalls durch die Künstler Peter Brüning (1929-1970)[i] und Klaus Jürgen-Fischer (1930-2017)[ii], die beide in Stuttgart an der Kunstakademie bei Willi Baumeister (1889-1955) studiert hatten und Studienkollegen von Klaus Bendixen waren.
Jürgen-Fischer, der zu Beginn in den Freundeskreis der ZERO-Künstler gehörte, organisierte 1959 die Ausstellung Stringenz – Nuove tendenze tedesche in der Galleria Pagani del Grattacielo in Mailand, zu der er neben Hal Busse, Oskar Holweck (1924-2007), Norbert Kricke (1922-1984), Heinz Mack, Almir Mavignier (1925-2018), Günther Sellung (*1925), Hans-Peter Vorberg einlud sowie eigene Werke zeigte.[iii]
In der von Udo Kultermann (1927-2013), dem damaligen Direktor des Städtischen Museum Leverkusen Schloß Morsbroich, 1961 kuratierten Ausstellung 30 junge Deutsche[iv] treffen die Arbeiten der ZERO-Künstler Mack, Piene, Uecker (*1930), Hermann Goepfert (1926-1982), Oskar Holweck und Uli Pohl (1935) erneut mit denen von Hal Busse zusammen.
Erst zwei Jahre später kam es über die Gesellschaft zur Aktivierung von Kunst und Wissenschaft e. V. zu einer erneuten Einladung zur Ausstellungsbeteiligung bei ZERO in der Berliner Galerie Diogenes, die jedoch Hal Busse zu spät erreicht haben dürfte, als dass sie daran hätte teilnehmen können.[v]
[i] Peter Brüning gehörte ebenso wie Mack und Piene der Gruppe 53 an und war in den Abendausstellungen 1, 4, 7 vertreten.
[ii] Klaus Jürgen-Fischer, Schulfreund von Heinz Mack, Künstler, Kunstkritiker der Zeitschrift Das Kunstwerk, Ägis Verlag, Baden-Baden. Er lud zur 6. Abendausstellung, seine Einzelausstellung, in die Gladbacher Str. 69 ein.
[iii] Klaus Jürgen-Fischer an Heinz Mack, Baden-Baden, 25.09.1959, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.I.62. Vgl. Jürgen-Fischer an Mack, Baden-Baden, 19.11.1959, Archiv der ZERO foundation, VL Mack, Inv. Nr. mkp.ZERO.1.159.
[iv] Vgl. Udo Kultermann, 30 junge Deutsche / Architektur – Plastik – Malerei – Graphik, Ausst.-Kat., Städtisches Museum Leverkusen Schloß Morsbroich, 5.5.-11.6.1991, o. O., o. J., Archiv der ZERO foundation, VL Mack, Inv. Nr. mkp.ZERO.1.VII.250.
[v] Im Hal Busse Archiv, Hamburg, befindet sich ein Schreiben vom 20.3.1963 mit der sehr kurzfristigen Einladung zur Ausstellung, die am 30.03.1963 eröffnet wurde. Das Schreiben wurde allerdings zunächst an die Anschrift in Stuttgart, Hölderlinstraße, geschickt, wo Busse bereits seit 1961 nicht mehr lebte. Auf dem Schreiben wurde vermerkt „nachgeschickt nach Hamburg, dort inzwischen Anschrift gewechselt, nachgeschickt …“. Angesichts dessen, dass ihr maximal 9 Tage bei zutreffender Anschrift geblieben wären, und angesichts des „Irrläufers“ erscheint eine Ausstellungsbeteiligung unwahrscheinlich. In den Ausstellungskatalogen Gördüren, Schöne (wie Anm. 14) und Gundel (wie Anm. 18) wird die Ausstellung aufgeführt. Sie selbst erwähnt die Ausstellung in einem handschriftlichen Lebenslauf nicht, vgl. Archiv Hal Busse, Hamburg.
Dennoch gelang es Hal Busse – völlig unbemerkt – Teil der ZERO-Publikationen zu werden. Am Ende von ZERO 3, dem dritten und legendären ZERO-Magazin, wird über sieben Seiten entlang ein Bilderatlas aus 25 Bildrastern ausgebreitet. Eine dieser viereckigen Kacheln ist mit einem Foto von Hal Busses Nagelrelief (gelb – blau – rot), um 1958, ausgefüllt, das sich neben Abbildungen von Kunstwerken wie zum Beispiel von „Piene, Constant, Takis, Moldow“ oder aus den Bereichen der „Physik, Landwirtschaft“ und „Architektur“[i] einreiht.
[i] „ZERO 3“ (1961), in: ZERO 4 3 2 1, hrsg. von Dirk Pörschmann, Mattijs Visser, Düsseldorf 2012, o. S. Im Heft wurde kein einziges Werk einer Künstlerin aufgenommen, doch als Fotografinnen waren Frauen vertreten, so fotografierte Hilla Wobeser, die später als Hilla Becher weltberühmt wurde, die Werke von Günther Uecker. Vera Spoerrri und Martha Rocher fotografierten Werke von Jean Tinguely.
Dank der Freundschaft zum Schauspieler und Galeristen Günter Meisner (1926-1994) erhielten Heinz Mack, Otto Piene und Günther Uecker die Gelegenheit die bereits erwähnte ZERO-Ausstellung in Berlin kuratieren zu können. Mit der hohen internationalen Beteiligung von 44 Künstler*innen[i] erinnert die Berliner Aktivität an die 7. Abendausstellung. Doch während in der Ausstellung Das rote Bild drei Künstlerinnen beteiligt waren, hat sich diese Anzahl fünf Jahre später auf zwei verringert: Rango Heusser-Bohne (1932-2021) und Dadamaino.[ii]
Die in Mailand lebende Edoarda Emilia Maino, genannt Dadamaino, war den Düsseldorfer ZERO-Künstlern durch ihre italienischen Freunde wohl bekannt. „Bis zur Schließung der Galerie [Azimut] im Juli 1960 organisieren Castellani und Manzoni in freundschaftlicher Kooperation mit ihrem spiritus rector Lucio Fontana und der jungen Künstlerin Dadamaino, einen dichten Zyklus von insgesamt zwölf Ausstellungen,“[iii] so Renate Damsch-Wiehager.
[i] Es waren neben deutschen Künstler*innen auch Kolleg*innen aus Italien, Belgien, Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz eingeladen.
[ii] Eine mögliche Beteiligung von Hal Busse (s. Anm. 28) sehe ich als unwahrscheinlich an. Die Ausstellung lief vom 30.03.-30.04.1963 in der Galerie Diogenes, Bleibtreustraße 7, West-Berlin. Meisner betrieb die Galerie im Namen der Gesellschaft zur Aktivierung von Kunst und Wissenschaft e.V..
[iii] Renate Damsch-Wiehager, „Eine Linie von unendlicher Länge“, in: ZERO Italien. Azimut/Azimuth 1959/60 in Mailand. Und heute, Ausst.-Kat. von ders., Galerie der Stadt Esslingen, Villa Merkel, 3.12.1995-25.02.1996, Ostfildern bei Stuttgart 1996, S. 8-11, hier S. 11.
Dadamaino war die einzige Künstlerin, für die Manzoni (1933-1963) je einen Text schrieb, welcher in der euphorischen Aussage mündete: „Ihre [Dadamainos] Bilder sind Banner einer neuen Welt, sind eine neue Bedeutung: sie begnügen sich nicht damit, etwas anderes zu sagen, sie sagen neue Dinge.“[i] Und welche „neuen Dinge“ sie sagte, erklärte rund 30 Jahre später Gillo Dorfles (1910-2018), Philosoph, Kritiker und Maler:
[i] Piero Manzoni, „Dadamaino“, in: Galerie der Stadt Esslingen (s. Anm. 32).
„So können wir alle Arbeiten dieser Zeit dem großen Fluß der programmierten oder kinetischen Kunst zurechnen, auch wenn wir uns der ständigen Teilnahme der Künstlerin an Problemen und Aktivitäten verwandter Gruppen bewußt sind […]. Worin unterscheiden sich dennoch diese Objekte […]. Zweifellos in ihrer auffallenden Raffiniertheit, und dadurch, daß sie stets neben dem Wahrnehmungshaften auch den ästhetischen Wert mit einbeziehen.“[i]
[i] Gillo Dorfles, „Dadamaino“, in: Galerie der Stadt Esslingen (s. Anm. 32), S. 86-87, hier S. 86.
Wann begegneten sich die Düsseldorfer ZERO-Künstler und Dadamaino zum ersten Mal persönlich? In einem kurzen Nebensatz erwähnt Heinz Mack in einem Schreiben vom Dezember 1962, dass die Künstlerin vor mehr als einem Jahr in Düsseldorf gewesen sei.[i] Ein intensiver Briefverkehr zwischen Mailand und Düsseldorf setzt jedoch erst ab dem 20. September 1962 ein, mit einem Schreiben von Dadamaino an Otto Piene.[ii] Bereits drei Wochen später meldet sich Dadamaino wieder bei Piene und schlägt ihm vor, in der Galerie des Architekten Cadario, in der auch Fontana (1899-1968) ausstellt, eine Präsentation zu machen. Cadario werde ein Buch über die „Nouvelles Tendances“ herausgeben, welches Umbro Apollonio (1911-1981) verfasse.[iii] Mit der nächsten Nachricht wendet sich die italienische Künstlerin an alle drei Düsseldorfer „ZEROisten“ und bittet um Fotos von Kunstwerken, Künstlerportraits und Biografien, die sie Nobuya Abe (1913-1971) zukommen lassen möchte. Abe sei im Begriff, einen großen Artikel über die Neuen Tendenzen zu schreiben, der in einer japanischen Zeitschrift veröffentlicht werden soll und – so kündigt Dadamaino an – auch zu einer Ausstellung in Tokio führen könne.[iv]
Am 9. Februar 1963 unterrichtet Dadamaino Piene und die anderen Kollegen über das plötzliche Ableben von Piero Manzoni.[v] Quasi parallel steht Heinz Mack mit der Künstlerin in Verbindung und teilt ihr mit, dass für März 1963 eine Ausstellung in Berlin geplant sei und die Düsseldorfer ZERO-Künstler glücklich wären, wenn sie sich daran mit einem Werk beteiligen würde.[vi] Er fordert sie auch auf:
[i] „When you had been here more than a year ago, […]“, Heinz Mack an Dadamaino, 27.12.1962, Archivio Dadamaino, Somma Lombardo, Italien. Dementsprechend hätte eine Begegnung Mitte 1961 stattgefunden.
[ii] Im Archiv der ZERO foundation und im Archivio Dadamaino befinden sich insgesamt 67 Korrespondenzen Dadamaino/Piene, 41 Korrespondenzen Dadamaino/Mack.
[iii] Vgl. Dadamaino an Otto Piene, Mailand, 10.10.1962, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.I.2809.
[iv] Vgl. Dadamaino an Otto Piene, Heinz Mack und Günther Uecker, Mailand, 12.12.1962, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.I.1436.
[v] Vgl. Dadamaino an Otto Piene, Mailand, 9.02.1963, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.I.1356. Vgl. die Beileidsbekundung von Otto Piene an Dadamaino, Düsseldorf, 2.03.1963, Archivio Dadamaino, Somma Lombardo, Italien.
[vi] Vgl. Heinz Mack an Dadamaino, Düsseldorf, 11.02.1963, Archiv der ZERO foundation, VL Mack, Inv. Nr. mkp.ZERO.1.I.149.
Schnell antwortet Dadamaino und macht ihre Vorschläge für Berlin: „Getulio, Toni Costa, Bruno Munari, Enzo Mari.“[i] Im gleichen Brief lässt sie Mack wissen, dass sie Cadario eines seiner Reliefs gezeigt habe, und er großes Interesse habe. „Alors si vous voulez, je pouvrai m´interesser aussi pour une votre exposition [à la galerie Cadario].“[ii]
Es ist offensichtlich: Dadamaino gehörte zum engsten ZERO-Kreis, denn sie organisierte Ausstellungen[iii], vermittelte Kontakte untereinander – wie zum Beispiel zwischen Otto Piene und Gillo Dorfles[iv] –, oder sie kümmerte sich persönlich um Sammler*innen[v]. „[…] l´esprit de Zéro sera toujours vivant si des artistes comme vous s´engager avec cette verve!“[vi], bestätigte ihr Piene.
Bis in den Sommer 1964 intensivierte sich die Zusammenarbeit zwischen den Düsseldorfern und der Mailänder Künstlerin. Im März meldete sich die Klagenfurter Galeristin Heide Hildebrand, um eine gemeinsame Ausstellung von Dadamaino, Mack, Piene, Uecker und Nanda Vigo zu organisieren. Nachdem Hildebrand zunächst angekündigt hatte, dass die Einladungskarten von Dadamaino und Nanda Vigo angefertigt würden, teilte sie Ende August mit, dass Dadamaino nun doch nicht an der Ausstellung teilnähme.[vii]
Noch wenige Wochen zuvor, im Juni 1964, waren Vigo und Dadamaino als Teil der Gruppenausstellung in die New Vision Centre Gallery und in der Programmgestaltung des ICA (Institut of Contemporary Arts) in London involviert.[viii] „If the NVC-gallery will write you, –please, give an answer in a positive sense. I wrote to London, that you can organize the Italian part and we hope, you will be so nice, to do so“[ix], teilte Mack am 2. April Dadamaino und Nanda Vigo mit.
[i] Dadamaino an Mack, Mailand, 15.02.1963, Archiv der ZERO foundation, VL Mack, Inv. Nr. mkp.ZERO.1.I.150. An der Ausstellung nehmen schließlich die von Dadamaino vorgeschlagenen Getulio Alviani (1939-2018) und Bruno Munari (1907-1998) teil.
[ii] Ebd.
[iii] Vgl. Dadamaino an Piene, Mailand, 7.12.1962, (Ausstellung Neue Tendenzen in der Galerie Cadario), Archiv der ZERO foundation, NL Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.I.2811. Piene an Dadamaino, Düsseldorf, 1.5.1963 (Ausstellung in Madrid) und Archivio Dadamaino, Somma Lombardo, Italien. Otto Piene an Dadamaino, Düsseldorf, 9.11.1962, (Einzelausstellung Piene bei Cadario, Mailand) Archivio Dadamaino, Somma Lombardo. Dadamaino an Mack, Mailand, 15.02.1963, (Einzelausstellung Heinz Mack bei Cadario, Mailand) Archiv der ZERO foundation, VL Mack, Inv. Nr. mkp.ZERO.1.I.150 und mkp.ZERO.1.I.147, mkp.ZERO.1.I.152, mkp.ZERO.1.I.153, mkp.ZERO.1.I.154.
[iv] Vgl. Dadamaino an Otto Piene, Mailand, 16.04.1963, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.I.2812. Im selben Brief informiert Dadamaino, dass sie in Kontakt mit Luis Gonzales Robles, Commissaire der Venedig Biennale für Spanien, stehe, der eine Ausstellung über die Neuen Tendenzen in einem Museum in Madrid zu machen beabsichtige.
[v] Vgl. Dadamaino an Piene, Mailand, 7.10.1963, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.I.1788, mkp.ZERO.2.I.1790. Vgl. Heinz Mack an Dadamaino, Düsseldorf, 27.12.1962, Archivio Dadamaino, Somma Lombardo, Italien. Otto Piene an Dadamaino, Düsseldorf, 13.10.1963, Archivio Dadamaino,Somma Lombardo, Italien.
[vi] Piene an Dadamaino, Düsseldorf, 13.10.1963, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.I.1789.
[vii] Vgl. Heide Hildebrand, Galerie Wulfengasse, an Heinz Mack, Klagenfurt, 5.03.1964, Archiv der ZERO foundation, VL Mack, Inv Nr. mkp.ZERO.1.I.442, vgl. mkp.ZERO.1.I.443, mkp.ZERO.1.I.450, mkp.ZERO.1.I.451.
[viii] Vgl. Mack an Kenneth Coutts-Smith, Düsseldorf, 30.03.1964, Archiv der ZERO foundation, VL Mack, Inv. Nr. mkp.ZERO.1.I.865. Obgleich Mack die italienischen Künstler*innen nicht erwähnt („[…] there are some German, French and the Dutch artists, who belong to us“) listet er auf der Rückseite neben den jeweiligen Ansprechpartnern Goepfert, Soto und Peeters auch Dadamaino auf.
[ix] Heinz Mack an Dadamaino und Nanda Vigo, o. O., 2.04.1964, Archivio Dadamaino, Somma Lombardo, Italien.
Am 1. September eröffnete dann die Ausstellung Vigo, Mack, Piene, Uecker in der Galerie Wulfengasse 14 von Heide Hildebrand in Klagenfurt und gleichzeitig verlor sich der Kontakt von Mack und Piene zu Dadamaino.
„Congratulazionissime“[i], übermittelt sie am 31. Oktober 1964 in einem kurzen, letzten Telegramm an Heinz Mack. Wozu sie gratulierte? Vielleicht zur Eröffnung der Ausstellung ZERO [Group ZERO] im Institute of Contemporary Art, University of Pennsylvania, Philadelphia, an der viele befreundete ZERO-Künstler*innen wie Enrico Castellani (1930-2017), Piero Dorazio (1927-2005), Lucio Fontana, Hermann Goepfert, Yves Klein (1928-1962), Piero Manzoni, Almir Mavignier, Mack, Piene, Uecker, auch Nanda Vigo und Yayoi Kusama teilnahmen, aber Dadamaino nicht.
[i] Dadamaino an Heinz Mack, Telegramm, 31.10.1964, Archiv der ZERO foundation, VL Mack, Inv. Nr. mkp.ZERO.1.I.155.
Mittlerweile, so stellt es sich anhand der Briefe im ZERO-Archiv dar, hat Nanda Vigo den Part der „Organisation ZERO in Mailand“ übernommen.[i]
Mack, Piene und Uecker kannten die Künstlerin und Architektin bereits seit Ende 1959 über Piero Manzoni, der seiner Lebensgefährtin Nanda das künstlerische Schaffen verboten hatte. „Piero me dit: ‚nous ne sommes pas la famille Curie. L´artiste, c´est moi, toi, tu restes à la maison. Évidemment je refusai et lui, il refusa de m´épouser. Il était à la fois noble, bourgeois et révolutionnaire. Nous allions partout ensemble, je l´accompagnais à toutes ses expositions.“[ii] So trat die selbstbewusste Vigo zu Beginn der Freundschaft als Diskutantin und Mitstreiterin für die Sache der neuen Avantgarde in Erscheinung, doch nicht als eigenständige Künstlerin. Das gelang ihr dann durch die Casa Pellegrini, das sogenannte ZERO-Haus, welches die Architektin in Mailand ganz in Weiß, mit vielen Spiegeln und blankpolierten Flächen konzipiert hatte – eine Wohnumgebung, die dem hellen, reflektierenden Licht gewidmet war.
Ihr Auftraggeber, so berichtete Nanda Vigo 1963 Heinz Mack, habe eine Arbeit von ihm im Studio von Fontana gesehen, und daher bitte sie ihn um Beteiligung. Fontana und Castellani hätten bereits Arbeiten beigesteuert, so Vigo weiter.[iii] Ob ihr Ansinnen Erfolg hatte, geht aus den Unterlagen nicht hervor.
[i] Barbara Könches, „Make Your Glass Jump! Nanda Vigo and ZERO“, in: Nanda Vigo. Alfabeto Cosmogonico, hrsg. von Alberto Fiz, Associazione Culturale Archivio Nanda Vigo, Ausst.-Kat., Museo Comunale d´Arte Moderna Ascona, Perguia 2023 S. 62-69; Vgl. „O-Ton. Interview mit Allegra Ravizza“, in: ZERO-Heft, Nr. 14, 2023, hrsg. von der ZERO foundation, S. 4-17.
[ii] Paola Nicita, „Nanda Vigo. Le rôle d´une artiste de la Mitteleuropa“, unveröffentlichtes Manuskript im Archiv der ZERO foundation, Düsseldorf. Paola Nicita zitiert aus ihrem Gespräch mit Nanda Vigo in Mailand im Februar 2014.
[iii] Vgl. Brief von Nanda Vigo an Heinz Mack, Mailand, 6.10.1963, Archiv der ZERO foundation, VL Heinz Mack, Inv. Nr. mkp.ZERO.1.I.825.
Im Sommer laden Mack, Piene und Uecker – wie schon erwähnt – Nanda Vigo ebenso wie Dadamaino dazu ein, sich an der Ausstellung in der New Vision Centre Gallery in London zu beteiligen.[i] Dort waren es schließlich 23 ZERO-Künstler und 2 Künstlerinnen, die ihre Arbeiten zeigten. Der Sunday Telegraph vom 28. Juni 1964 charakterisierte das Neue der ZERO-Kunst: „In spite of the talk of ‚Dynamo‘ the achievement of the Group Zero (et. al.) is finally one of rare calm and serenity.“[ii] Eine solche ruhige Bewegung, ein kontinuierliches Fließen ergab sich, wenn das Licht auf eine der Mack´schen Lichtstelen traf oder wenn es seine Schatten entlang der rotierenden Nägel von Günther Uecker in den Raum warf. Auch Nanda Vigos Cronotopilebten von dem Kontrast ihrer statischen Ruhe einerseits und der durch das Vorbeischreiten, das Passieren sich ergebenden Lichtvibrationen andererseits. Teils fiel das Licht von außen in den schmalen, eleganten Metallkubus, teils integrierte Vigo elektrisches Licht, das matt durch die schimmernden Scheiben oder klar und kräftig durch das unbehandelte Glas leuchtete.
[i] Vgl. Brief von Nanda Vigo an Heinz Mack, Mailand, undatiert, Archiv der ZERO foundation, VL Mack, Inv. Nr. mkp.ZERO.1.I.815.
[ii] Zeitungsausschnitt, The Sunday Telegraph, 28.06.1964, VL Mack, mkp.ZERO.1.II.41.
Wie so oft innerhalb der ZERO-Kunst ergeben sich stilistische Verwandtschaften von zweien oder dreien der Künstler*innen untereinander, doch gleichzeitig herrscht eine stilistische Differenz zu anderen. Bei Vigo eröffnen sich Parallelen zu Arbeiten von Mack oder Christian Megert (*1936) und doch bleibt ihr Oeuvre wie das der Kolleg*innen unverwechselbar.
Die Mailänder Künstlerin war häufig zu Gast in Düsseldorf, besuchte von dort aus ihre Freunde wie Jan Schoonhoven (1914-1994) in den Niederlanden oder Jef Verheyen (1932-1994) in Belgien und machte auf der Rückfahrt Halt, um Megert in Bern zu besuchen. Ebenso wie Dadamaino übernahm sie die Rolle der Vermittlerin. Sie stellte Kontakte zu wichtigen Personen aus der Kunstwelt[i], zu Autoren[ii] und zur Presse her wie zum Beispiel zur bekannten Architektur-Zeitschrift Domus[iii].
[i] Vgl. Brief von Nanda Vigo an Otto Piene, Mailand, 2.03.1965, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.I.2392. „Also I meeting the editor Schweiviller, and I find him well intended to publish a Zero book […].“
[ii] Vgl. Brief von Nanda Vigo an Heinz Mack, Mailand, 22.011965, Archiv der ZERO foundation, VL Mack, Inv. Nr. mkp.ZERO.1.I.819. „[…] Morucchio write us a good article for Aujourd´Hui.“
[iii] Vgl. Brief von Nanda Vigo an Otto Piene, Mailand, 2.02.1966, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.I.2166..Brief von Nanda Vigo an Heinz Mack, Mailand, undatiert, Archiv der ZERO foundation, VL Mack, Inv. Nr. mkp.ZERO.1.I.813.
Schließlich kuratierte und organisierte sie selbst die umfassende Ausstellung ZERO avantgarde 1965, die am 27. März 1965 im Atelier von Lucio Fontana eröffnet wurde und anschließend in Galerien in Venedig, Turin, Rom und Brescia zu sehen war.
Zwischen Nanda Vigo und den Düsseldorfern galt die stille Übereinkunft des Gebens und Nehmens so lange, bis Vigo das Gefühl hatte, dass ein Ungleichgewicht entstanden sei:
„I send you for the middle October a photographer of New York that you have known in Schmela gallery, he is working now for domus, and now we are macking [sic] a photo service about the artists haus [dt. im Original], so I give him your address, naturlich [dt. im Original], and also I want that he take photos also of your project in Africa, O.K.?
I hope that you are glad to have another service on domus, but don’t forget me for collective exhibitions, I think that in the last time, you forget me too much, please remember Stockholm show for me […].“[i]
[i] Brief von Nanda Vigo an Heinz Mack, Mailand, 5.10.1965, Archiv der ZERO foundation, VL Mack, Inv. Nr. mkp.ZERO.1.I.821.
Erst spät, ab Anfang 1965, intensivierte sich der Briefverkehr zwischen Nanda Vigo und Otto Piene. Nach und nach ersetzte Piene nun Mack als Ansprechpartner für ihre künstlerischen und kuratorischen Ideen.
Am 31. Januar 1967 – ZERO fand mit der Ausstellung ZERO in Bonn in der damaligen westdeutschen Hauptstadt seinen Abschluss – sandte Nanda Vigo einen ausführlichen Brief an Piene, aus dem deutlich wird, dass es Spannungen zwischen Vigo und Mack gab.[i] Piene antwortete am 15. Februar 1967 mit einem 12-seitigen, handgeschriebenen Brief.
[i] Vgl. Brief von Nanda Vigo an Otto Piene, Mailand, 31.01.1967, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.I.2611.
Einfühlsam legte er Nanda Vigo nahe, dass ZERO beendet sei – auch für sie:
Das Archiv der ZERO foundation legt durch die vielen engagierten Briefe sehr gut Zeugnis davon ab, dass die Düsseldorfer ZERO-Kerngruppe sehr wohl Künstlerinnen zu den Ausstellungen einlud, doch die geringe Anzahl beweist auch, wie klein ihr Anteil in der Künstlerschaft war. Gleichzeitig zeigen uns die Briefwechsel insbesondere mit Dadamaino und Nanda Vigo, wie intensiv diese beiden Künstlerinnen mit dazu beitrugen, ZERO in Mailand zu unterstützen, zu etablieren, zu festigen.
Yayoi Kusama, die am häufigsten bei ZERO-Ausstellungen beteiligt war, hat nie eine Ausstellung selbst kuratiert und stand nicht in brieflichem Kontakt zu den Düsseldorfern. Ihr Werk ist ohne Frage einzigartig und stilprägend, doch weicht sie durch die Betonung des Physischen und der Thematisierung des Psychischen stark vom künstlerischen Fundament der niederländischen, belgischen oder italienischen ZERO-Kreise ab.
Als Mitglied der Gruppo T aus Mailand war Grazia Varisco in vielen Ausstellungen mit ihren Werken vertreten, die wegen ihres Interesses an Kinetik und Kognitionswissenschaft sehr gut ins ZERO-Spektrum passten, aber sie wollte unter dem Gesichtspunkt der Künstlerinnen hier nicht eigens hervorgehoben werden.[i] Ein Standpunkt, den man akzeptieren und zugleich bedauern kann, denn für sie wie für alle hier genannten Künstlerinnen gilt: Ihr Werk ist von hoher Qualität – ganz unabhängig vom Geschlecht. Dies ist die Voraussetzung dafür, eine herausragende Kunst zu schaffen.
Nicht zuletzt sei daran erinnert, dass der Erfolg der ZERO-Kunst auch durch mutige Galeristinnen wie Iris Clert oder durch Kunstkritikerinnen wie Hannelore Schubert oder Anna Klapheck gelang. Kurz: Weitere Geschichten harren darauf, erzählt zu werden.
[i] So bekundete sie mündlich gegenüber der Autorin im Januar 2023 in Mailand.