I International
by Anna-Lena Weise
New York jetzt oder nie!
Nachdem zu Beginn der 1960er Jahre Gruppenausstellungen in ganz Europa stattgefunden hatten, erfolgte 1964 die „Eroberung“ Amerikas. ZERO gilt als ein früher Zusammenschluss von Künstler*innen aus Europa und Deutschland, der zu Beginn der 1960er Jahre in Amerika große öffentliche Aufmerksamkeit erreichen konnte. Dazu bildete die Ausstellung ZERO [Group ZERO], Institute of Contemporary Art, University of Pennsylvania, Philadelphia, den Startschuss.[i]
[i] Vgl. Tina Rivers Ryan, „‚Before it Blows up‘. ZERO’s Armerican Debut, and its Legacy“, in: The Artist as Curator. Collaborative Initiatives in the International ZERO Movement 1957-1967, hrsg. von Tiziana Caianiello, Mattijs Visser, Ghent 2015, S. 363-369, hier S. 363.; Vgl. Anette Kuhn, ZERO. Eine Avantgarde der Sechziger Jahre, Frankfurt a. M., Berlin 1991, S.51 f.
Der amerikanische Kunstmarkt wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von der Nachfrage nach europäischen Werken dominiert, vor allem die 1920er und 1930er Jahre waren bestimmt durch die alten Meister und den europäischen Impressionismus. Zudem trugen europäische Künstler*innen, vielfach als Flüchtlinge aufgrund der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 aus ihren Heimatländern vertrieben, dazu bei, die europäische Kunst in die USA zu bringen. Die von Marcel Duchamp (1887-1968), zusammen mit Man Ray (1890-1976) und Katherine Dreier (1877-1925), 1920 gegründete Société Anonyme, das Museum of Modern Art (MoMA, gegründet 1929) und das 1939 entstandene Museum of Non-Objective Painting (später Solomon. R. Guggenheim Museum) fokussierten sich zunächst fast gänzlich auf die Kunst Europas. Im MoMA fand 1930 die Ausstellung Painting in Paris, from American Collections statt, die eine Vorliebe der Sammler für die Meister der französischen Moderne offenbarte.[i]
[i] Vgl. Norman Rosenthal, „Amerikanische Kunst: Eine Sicht aus Europa“, in: Amerikanische Kunst im 20. Jahrhundert. Malerei und Plastik 1913-1993, Ausst.-Kat. Martin Gropius Bau, Berlin, Royal Academy of Arts, London, hrsg. von Christos M. Joachimides, Norman Rosenthal, London, Berlin 1993, S. 13-22, hier S. 13.; vgl. Gail Stavitsky, „Museen und Sammler“, in: ebd., S. 163-170, hier S. 166.; Thomas Kellein, „Es ist die schiere Größe: Die Rezeption der amerikanischen Kunst in Europa“, in: ebd., S. 211-218, hier S. 211.; Britta E. Buhlmann, „Art is not an object but experience“, in: Abstrakter Expressionismus in Amerika, Ausst.-Kat. Pfalzgalerie Kaiserslautern, Ulmer Museum, Kaiserslautern 2001, S. 19. – Symbolismus, Kubismus und Fauvismus waren die meist diskutierten Kunstrichtungen. Zahlreiche amerikanische Künstler*innen reisten damals nach Paris, in die Kunsthauptstadt Europas, um von den Hauptvertretern dieser Kunstrichtungen zu lernen. Marcel Duchamp war bereits während des ersten Weltkriegs nach New York gegangen und hatte sich dort für den Aufbau einer Infrastruktur zwischen Privatsammlern, Galeristen, Künstlern und Museen eingesetzt.
Die amerikanische Kunst befand sich nach dem Krieg in Europa in einer Phase der Erneuerung. Es war zu dieser Zeit, als Jackson Pollock (1912-1956) begann seine heute als Meisterwerke bezeichneten Arbeiten zu schaffen, die dem „abstrakten Expressionismus“ wie Clement Greenberg ihn bezeichnete, zugerechnet werden.[i] Barnett Newman (1905-1970) war 1948 der Meinung, dass man sich von der Legende, dem Mythos und allen anderen Erfindungen der westeuropäischen Kunst befreien müsse.[ii]
Der abstrakte Expressionismus begann das Feld zu übernehmen und die vorherrschende figurative Malerei zu verdrängen. Zugleich förderte der steigende Wohlstand im Nachkriegsamerika die Entstehung eines Kunstmarktes für zeitgenössische, heimische Kunst, die von einer wachsenden Zahl von Kunsthändler*innen relativ preisgünstig angeboten wurde. Auch das MoMA förderte durch seine Gruppenausstellungen 1946, 1948, 1951 und 1955 aktiv die Sichtbarkeit amerikanischer Künstler*innen im eigenen Land. Mit dem nach Kriegsausbruch praktisch nicht mehr vorhandenen europäischen Kunsthandel ergab sich in New York eine neue Metropole für junge zeitgenössische Kunst – in den Galerien von Peggy Guggenheim, Sidney Janis, Samuel Kootz und Betty Parsons. Die Aktivitäten von Künstler*innen, Kritiker*innen, Galerist*innen, Institutionen und Sammler*innen begannen sich in New York zu ballen, wodurch die Stadt in den USA, aber auch in Übersee als Zentrum der amerikanischen Kunst bekannt wurde. New York löste langsam Paris, welches durch die Besetzung nationalsozialistischer deutscher Truppen 1940 für fünf Jahre kulturell abgeschnitten war, als Kunstmetropole ab.[iii] Thomas Kellein fasst diesen Umbruch wie folgt zusammen:
[i] Vgl. Rosenthal (wie Anm. 2), S. 13 ff., 19.
[ii] Vgl. Barnett Newman, „The Sublime is Now“ (1948), in: Barnett Newman. Selected Writings and Interviews, hrsg. von John O’Neill, New York 1990, S. 173. – Die abstrakten Expressionisten rückten den künstlerischen Akt in den Vordergrund. Das Malen an sich sollte im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit liegen und nicht inhaltliche Themen, was Newman nicht unbedingt vollständig gelungen ist, wenn man sich die Titel seiner Werke ansieht.
[iii] Vgl. Lena Brüning, Die Galerie Schmela. Amerikanisch-deutscher Kunsttransfer und die Entwicklung des internationalen Kunstmarktes in den 1960er Jahren, Berlin, Boston 2022, S. 41.; vgl. Bettina Friedl, „Die amerikanische Malerei zwischen 1670 und 1980“, in: Visuelle Kulturen der USA. Zur Geschichte von Malerei, Fotografie, Film, Fernsehen und Neuen Medien in Amerika, Bielefeld 2010, S. 15-98, hier S. 73.; Stavitsky (wie Anm. 2), S. 167.; Kellein (wie Anm. 2), S. 212.; vgl. Britta E. Buhlmann (wie Anm. 2), S. 19, 21.; vgl. Serge Guilbaut, How New York Stole the Idea of Modern Art. Abstract Expressionism, Freedom, and the Cold War, übersetzt von Arthur Goldhammer, Chicago, London 1983, S. 1, 49.
„Entdeckt, ausgestellt und gehandelt wurde die Kunst für den nuklear gesicherten und kulturell unbeschriebenen abstrakten NATO-Raum zunehmend in New York. Bereits nach einem Jahrzehnt, seit etwa 1960, war die Jahrhunderte währende Vorrangstellung der europäischen Malerei und Plastik endgültig in Frage gestellt.“[i]
[i] Kellein (wie Anm. 2), S. 212.
Deutschland war in der Nachkriegszeit durch die Besetzung vor kulturelle Herausforderungen gestellt, die eine Rückbesinnung auf die Kunst vor dem Krieg nach sich zog. Jill Michelle Holaday schreibt zum Verhältnis der Besatzungsmächte und der Kunst in Deutschland: „Initially, the Allies championed the ‚degenerate‘ art burned by the Nazis, but not contemporary art. Expressionism came to symbolize an art appropriate for a new democracy.“[i] Im Gegensatz dazu galt der Expressionismus der Vorkriegszeit für viele deutsche Künstler*innen und Kritiker*innen als überholt.
Die Kulturpolitik rückte stärker in den Fokus und wurde im Zuge der wachsenden Konfrontation zwischen den USA und der UdSSR als politisches Mittel instrumentalisiert.[ii]
[i] Jill Michelle Holaday, Die Gruppe ZERO. Working through Wartime Trauma, Diss. Iowa, Iowa 2018, S. 10 f.
[ii] Vgl. Carsten Kretschmann, Zwischen Spaltung und Gemeinsamkeit. Kultur im geteilten Deutschland, (Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert, Bd. 12), Berlin-Brandenburg 2012, S. 15 ff., 35.; vgl. Brüning (wie Anm. 6), S. 35. – Die Alliierten gaben auch im Bereich der Kultur den Ton an. Sie versuchten neue Strukturen zu schaffen, sie zu reglementieren und vor allem streng zu kontrollieren.
„So wurden bestimmte Strömungen aktiv gefördert, während andere zunehmend aus der Öffentlichkeit verschwanden. Die abstrakte Kunst wurde als ‚modern‘, ‚europäisch‘ bzw. ‚westlich‘ und als vermeintlich unideologische und unpolitische Bildsprache kulturpolitisch favorisiert, die figurative, narrative Bildsprache dagegen dem ‚Osten‘ bzw. dem ‚Kommunismus‘ zugeschrieben und in Westdeutschland zunehmend verdrängt.“[i]
[i] Brüning (wie Anm. 6), S. 35/36, 56 f.
Diese Rückwendung zur abstrakten Malerei nach 1945 bildete so zugleich eine Abgrenzung zum nationalsozialistischen Realismus. Zumindest in den drei westlichen Besatzungszonen vollzog sich so ein unmittelbarer Bruch mit dieser Zeit.[i]
Die Vermittlung der amerikanischen bildenden Kunst lief in den Nachkriegsjahren in Deutschland zunächst schleppend an und war in Düsseldorf kaum zu bemerken. Nach dem Zusammenschluss der US-amerikanisch und britisch besetzten Gebiete 1947, weitete sich der amerikanische Einfluss auf das Rhein-Ruhr-Gebiet aus. Das Cultural Exchange Program, welches einen gezielten Austausch zwischen einzelnen Kulturschaffenden in den USA und Deutschland ermöglichen sollte, war zwar 1946 angelaufen, aber an den Kunstakademien machte sich aufgrund der Abwesenheit eines Kunstmarktes trotzdem das Gefühl der Isolation breit. Heinz Mack selbst sagte dazu in einem Gespräch mit Betty van Garel:
[i] Vgl. Kretschmann (wie Anm. 4); vgl. Brüning (wie Anm. 6), S. 35.
„Wir in Deutschland – unsere holländischen Freunde dürften sich in der gleichen Lage befunden haben – waren über das, was eigentlich in der Welt vorging, schlecht informiert. Erst 1948, 1949 wurde bekannt, was in Amerika geschah, wo ein Mann wie Pollock seine großen Gemälde malte. Wir bekamen dann das ungute Gefühl, das sich dort etwas getan hatte, was uns entgangen war. Daß es also für uns keinen Sinn mehr hatte, Dinge zu schaffen, die man drüben schon gemacht hatte.“[i]
[i] Zit. n. Dieter Honisch, Mack. Skulpturen 1953-1986, Düsseldorf, Wien 1986, S. 10.
Die Rezeption amerikanischer Kunst geschah in Europa vor allem durch das MoMA, welches 1948 auf der Biennale in Venedig einen eigenen Pavillon errichten konnte und zu einem wichtigen Kooperationspartner unterschiedlicher Abteilungen der amerikanischen Regierung wurde. Ab 1952 wurde im MoMA unter der Leitung von Porter A. McCray ein internationales Wanderausstellungsprogramm eingerichtet, welches sich aus dem zeitgenössischen Sammlungsbestand des Museums zusammensetzte, und wodurch die Institution in den darauffolgenden Jahren zu einem der prominentesten Ausstellungsmacher in Europa avancierte.[i] Nachdem ab April 1953 die erste MoMA-Wanderausstellung 12 amerikanische Maler und Bildhauer der Gegenwart von Paris aus über Zürich, Düsseldorf, Stockholm, Helsinki und Oslo wanderte, dauerte es noch fast fünf Jahre bis die amerikanische Kunst zu einem der größten Einflussfaktoren in Bezug auf die Entwicklung des deutschen Kunstmarktes wurde. Einen wichtigen Beitrag dazu leistete die documenta, welche 1955 erstmals in Kassel stattfand. 1956 wurde auf der documenta 2 dem erst kürzlich verstorbenen Jackson Pollock ein eigener Raum gewidmet.[ii]
Dass Interesse von Seiten Macks und Pienes an der amerikanischen Lebensweise bestand, zeigt eine Einladung von Louis Garinger zum Salzburg Seminar in American Studies in Österreich, die beide 1959 zugesandt bekamen.[iii]
Die Düsseldorfer ZERO-Künstler experimentierten zwischen 1953 und 1957 mit verschiedenen Stilen und schufen Werke mit durchaus expressionistischen Tendenzen, aber wie die Minimalisten in Amerika wendeten sie sich von diesem Stil ab. Die Mittel, mit denen sie ihre Kunst erweiterten: Materialien wie Silberfolie, Spotlights, Plexiglas, Aluminium und die Demonstrationen, lassen ihre Kunst ins Erlebnishafte eintreten.[iv] Ein ähnliches Phänomen, welches sich zur gleichen Zeit in New York ausmachen lässt, wie Allan Kaprow (1927-2006) feststellt:
„Not satisfied with the suggestion through paint of our senses, we shall utilize the specific substances of sight, sound, movement, people, odors, food, electric and neon light, smoke, water, old socks, a dog, movies, a thousand other things which we have always had about us, but ignored, but they will disclose entirely unheard of happenings.“[v]
Die ZERO-Künstler*innen verwendeten durchaus ähnliche Techniken und Formen wie die New Yorker Minimalisten, verliehen ihren Werken aber oft transzendentale Bedeutungen.
[i] Vgl. Brüning (wie Anm. 6), S. 38 ff., 42; vgl. Kellein (wie Anm. 2), S. 211 ff.; vgl. Werner Abelshauser, Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, München 2004, S. 114. – Ausstellungen der American Federation of Arts und des Smithsonian Institution Traveling Exhibition Service versuchten in den 1950er-Jahren die amerikanische Kunst einer breiten Masse näherzubringen. Allerdings wurde keine zeitgenössische amerikanische Kunst gezeigt und somit lag der Fokus nicht auf der Bekanntmachung aktueller Tendenzen.
[ii] Vgl. Brüning (wie Anm. 6), S. 38 ff., 42; vgl. Kellein (wie Anm. 2), S. 211 ff.; vgl. Abelshauser (wie Anm. 11), S. 114.
[iii] Louis Garinger an Heinz Mack und Otto Piene, Salzburg, 22. Dezember 1959, Archiv der ZERO foundation, Vorlass Mack, Inv. Nr. mkp.ZERO.1.I.1335; Nachlass Piene, Inv. Nr. mkp.ZERO.2.I.506.
[iv] Vgl. Holaday (wie Anm. 8), S. 13.; vgl. Valerie Hillings, Experimental Artists‘ Groups in Europe, 1951-1968. Abstraction, Interaction and Internationalism, Diss. New York 2002, S. 124.
[v] Allan Kaprow, „The Legacy of Jackson Pollock“, in: Art News 57, Nr. 6, Oktober 1958, S. 24 f.
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Als Einzelpersonen hatten die ZERO-Künstler Uecker, Piene und Mack sowie weitere diesem Kreis zuzurechnende Personen, schon einige Jahre vor der großen ZERO-Show, zu mehreren Institutionen in Amerika Kontakt.
Robert Pincus-Witten stellt in diesem Zusammenhang fest:
Yves Klein (1928-1962) reiste bereits 1961 nach New York, um dort zwei Monate zu verbleiben und seine erste Einzelausstellung in der Castelli Gallery (Castelli hatte ihn bereits 1959 in seiner Ausstellung Works in Three Dimensions neben Chamberlain, Marisol und Rauschenberg präsentiert), welche am 11. April 1961 eröffnet wurde, zu besuchen. Die Überfahrt mit dem Schiff dauerte damals noch ungefähr acht Tage. Reisen war im Allgemeinen noch sehr viel aufwendiger, kostspieliger und vor allem langwieriger.[i]
[i] Leo Castelli hatte bereits 1957 eine Galerie in Manhatten eröffnet, in der er zunächst europäische bzw. französische Kunst zeigte. Er nahm aber schnell auch den amerikanischen abstrakten Expressionismus in sein Programm auf.
Die Ausstellung kam nicht gut an beim New Yorker Publikum und erzeugte eher negative Kritiken. Nur drei Schwamm-Skulpturen wurden verkauft, kein einziges Monochrom und die Ausstellung zog weniger Besucher*innen an als in Europa. „Klein was still far from being recognized as the most influential artist to have emerged in postwar France […].“[i]
Im Mai 1961 zeigte die Dwan Gallery in Los Angeles die Arbeiten von „Yves le Monochrome“. Klein überlegte zu dieser Zeit eine riesige Metamatic/Anthropometry-Maschine in Zusammenarbeit mit Jean Tinguely zu schaffen. Die Modelle hätten von einem Kran in blaue Farbe getaucht werden sollen, um dann auf einer riesigen weißen Leinwand ihre Spuren zu hinterlassen. Diese Idee wurde nicht verwirklicht.[ii]
Pontus Hultén, der damalige Direktor des Moderna Museet in Stockholm lernte bei seinem ersten Besuch in den USA den Ingenieur Billy Klüver kennen, mit dem er die Weichen für Tinguely stellte. Jean Tinguely erlangte mit seiner Homage to New York, 1960,[iii] Berühmtheit in den USA. Die Idee zu seiner sich selbst zerstörenden Maschine soll ihm im Januar 1960 gekommen sein, als er anlässlich seiner ersten Einzelausstellung in der Staempfli Gallery in New York war. Seine Méta-Matic-Zeichenmaschinen eröffneten ihm den Zugang zur jungen New Yorker Kunstwelt und erregten die Aufmerksamkeit Marcel Duchamps, Jasper Johns (*1930), Robert Rauschenbergs (1925-2008) und anderer. Rauschenberg steuerte zu der Homage ein kinetisches Objekt Money Thrower for Jean Tinguely’s H.T.N.Y. – ein Toaster der Silberdollars ins Publikum schleuderte – bei.[iv]
Auch Daniel Spoerri, der eng mit Tinguely befreundet war, war bereits 1961 in der Ausstellung The Art of Assemblage im Museum of Modern Art (MoMA), New York, vertreten, welches seine Arbeit Kichkas Frühstück, 1960, ankaufte.
[i] Klein-Moquay, Pincus-Witten (wie Anm. 18), S. 35.
[ii] Vgl. Klein-Moquay, Pincus-Witten (wie Anm. 18), S. 44 ff.
[iii] Zum Thema der „Hommage“ s. Romina Dümlers Beitrag in diesem Band.
[iv] Vgl. „Autodestruktive Aktionen“, in: Jean Tinguely. Super Meta Maxi, Ausst.-Kat. Museum Kunstpalast, Düsseldorf, Stedelijk Museum, Amsterdam, Köln 2016, S. 70 ff.; Roland Wetzel Vorwort und Einleitung, in: Robert Rauschenberg Jean Tinguely. Collaborations, Ausst.-Kat. Museum Tinguely, Basel 2009, S. 7.; vgl. Kellein (wie Anm. 2), S. 217.
Als einer der Ersten aus dem ZERO-Umkreis wohnte Hans Haacke (*1936) für mehrere Jahre – 1961 bis 1963 – in Amerika. Aufgrund eines Fulbright Stipendiums war er 1961 in die USA übergesiedelt und ab 1962 als Stipendiat an der Tyler School of Art der Temple University in Philadelphia, Pennsylvania eingeschrieben. Am 8. September 1962 schreibt er Otto Piene von Philadelphia aus, dass er in der kommenden Woche nach New York gehen werde. Bis 1963 war er dort am Pratt Graphic Art Center eingeschrieben. Obwohl er sich nicht positiv über Amerika als Konsumgesellschaft äußert, denn „alles wird zum Kauf angeboten und konsumiert, Waren, Meinungen, Massenmanipulation, Religion, Rassenhaß, alles“ und den Einzug des „american way of life“ in Deutschland voraussagt, begrüßt er seinen Aufenthalt doch[i], und überlegt am 21. März 1963 noch ein weiteres Jahr in New York zu bleiben – welche er als „unverschämt faszinierende Stadt“ bezeichnet.[ii]
Trotz seiner Ablehnung der Recherche Visuel – Groupe de Recherche d’Art Visuel, 1960 in Paris gegründet – gegenüber, die sich auf Wahrnehmungsphänomene in der Kunst fokussierten, stellt er fest, dass „ihre Ausstellung in N.Y. gut getan“ hat.[iii] Denn die Pop-Art ist ansonsten in jeder Galerie vorherrschend.[iv] Und so fehlt Haacke die Herausforderung von Kollegen, die in die gleiche Richtung wie ZERO arbeiten. Vor dem Hintergrund, dass sich die Pop Art mit ihren bunten Farben und großen Dimensionen deutlich von der Kunst ZEROs absetzt, erscheint Haackes Begrüßen der Recherches Visuelles als logische Konsequenz.
Am 1. September 1963 beschließt Haacke wieder nach Deutschland zurückzukehren.[v] Sein Aufenthalt in Köln war allerdings nicht von langer Dauer, denn schon 1965 kehrt er dauerhaft in die Vereinigten Staaten zurück.
[i] Hans Haacke an Otto Piene, New York, 21. März 1963, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, mkp.ZERO.2.I.1345.
[ii] Hans Haacke an Otto Piene, Philadelphia, 8. September 1962, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, mkp.ZERO.2.I.1344.
[iii] Hans Haacke an Otto Piene, Philadelphia, 8. September 1962, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, mkp.ZERO.2.I.1344.
[iv] Die 1960er Jahre gelten als das Jahrzehnt, in dem sich die Pop Art auf dem Kunstmarkt und in den Institutionen durchsetzte. Anschließend verbreitete sie sich in ganz Europa. Die Pop Art, welche sich überwiegend mit dem Konsum auseinandersetzte, wurde durch die Wirtschaftspolitik Kennedys – welche auf der Vorstellung aufbaute, dass die Stabilität der Wirtschaft von der Stimulation jedes Einzelnen zum Konsum befördert werde – begünstigt. (Vgl. Brüning (wie Anm. 6), S. 163 f.; Willi Paul Adams, Die USA im 20. Jahrhundert, (Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd. 29), München 2008, S. 83 f.)
[v] Vgl. Hans Haacke an Otto Piene, Hempsteadt, N.Y., 18. Juli 1963, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, mkp.ZERO.2.I.1869.
Auch Günther Uecker, Otto Piene und Heinz Mack waren vor 1964 in der US-amerikanischen Ausstellungslandschaft vertreten. Hermann Warner Williams – der Direktor der Corcoran Gallery of Art, Washington D.C. – richtete bereits im Februar 1962 einen Brief an Otto Piene, da er mit der Bildauswahl für die „Internationale Ausstellung moderner Kunst“, unterstützt von der Bundesrepublik Deutschland, beauftragt worden war.[i]
[i] Vgl. Hermann Warner Williams an Otto Piene, Washington D.C., 27. Februar 1962, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, mkp.ZERO.2.I.695.
Diese Ausstellung war von 1962 bis 1963 unter dem Titel 16 German Artists (bei Warner Williams noch als Fifteen German Artists angekündigt) in mehreren Institutionen Amerikas zu sehen. Insgesamt war Piene mit fünf Kunstwerken vertreten. Smoke Painting, Red, 1961, Wave of Darkness, 1961, Smoke Painting #1, 1962, Smoke Painting #2, 1962, und Light Ballett, 1962.[i] Die Rauchbilder wurden im Ausstellungskatalog mit Pulse, Pulse, Impulse, 1961; Fire Flower, 1962; und Sun Result, 1962, betitelt. Teile seines Lichtballetts waren beim Transport durch die Vereinigten Staaten – schon in der Cocoran Gallery und später in der Addison Gallery of American Art, Philips Academy, Andover, Massachussetts, beschädigt worden – und es mussten Ersatzteile beschafft werden.[ii]
[i] Vgl. Hermann Warner Williams an Otto Piene, Washington D.C., 20. Juli 1962, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, mkp.ZERO.2.I.697.
[ii] Vgl. Donelson F. Hoopes an Otto Piene, Washington D.C., 20. Dezember 1962, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, mkp.ZERO.2.I.1349_1.; – „The Exhibition is presently at Andover, and I would be grateful if you could send replacemants for the two parts AS SOON AS POSSIBLE.“[ii] (NL Piene, mkp.ZERO.2.I.695).; Ausst.-Kat. Sixteen German Artists, 1962, Archiv der ZERO foundation, VL Mack, Inv. Nr. mkp.ZERO.1.VII.254.
Auch Heinz Mack war an dieser Ausstellung beteiligt gewesen, wie ein Schreiben der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Washington vom Dezember 1962 belegt, in welchem man ihm für seine Beteiligung dankt. Der Ausstellungskatalog listet auch fünfseiner Werke, die alle von der Galerie Schmela geliehen wurden: Dynamic Structure in White, 1960; White Oval, 1960; Dynamic Structure in White on Black, 1961; Light Relief, 1961-62 sowie Dynamic Structure in Black, 1962.[i]
Sowohl Mack als auch Piene gewannen Preise bei der vierten Guggenheim International Award Exhibition 1964, welche finanziell vom Solomon R. Guggenheim Museum in New York unterstützt wurde. Die Wanderausstellung zeigte Kunst aus aller Welt. Aus jedem Land durften allerdings nur fünf Künstler*innen teilnehmen. Von Piene wurde das Werk Pink Fire Flower, 1963, gezeigt.[ii] Nachdem Lawrence Alloway im August 1963 in Düsseldorf war, um sich Pienes Werkeanzusehen, wählte er für die Award-Show zudem das Werk von Heinz Mack Cardiogram of the Cyclops, 1961-62, aus.[iii] Ebenso war die Dalzell Hatfield Gallerie 1963 an der Skulptur Teller-Objekt von Heinz Mack interessiert und bot ihm eine Ausstellungsplattform an, während Otto Piene noch im selben Jahr von Alloway für eine weitere Ausstellung im Guggenheim ausgewählt wurde.[iv]
[i] Vgl. Dr. Hanns-Erich Haack an Heinz Mack, Washington, 6. Dezember 1962, Archiv der ZERO foundation, VL Mack, mkp.ZERO.1.94.
[ii] Vgl. Hillings (wie Anm. 16), S. 220.; Vgl. Lawrence Alloway an Otto Piene, New York, 8. August 1963, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, mkp.ZERO.2.I.1949_2. – Die Guggenheim International Award Exhibition war 1956 gegründet worden und wurde alle zwei Jahre ausgetragen. Die daraus resultierende Wanderausstellung sollte noch in zwei weiteren amerikanischen Städten gezeigt werden.
[iii] Vgl. Lawrence Alloway an Otto Piene, New York, 21. August 1963, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, mkp.ZERO.2.I.1950_2.
[iv] Vgl. D. Hatfield an Heinz Mack, Los Angeles, 20. November 1963, Archiv der ZERO foundation, VL Mack, mkp.ZERO.1.157. – Das Carnegie Institute, Department of Fine Arts, Pittsburgh, Pennsylvania, schrieb Heinz Mack, dass das Glas seines Lichtdynamos gebrochen sei und sie diesen so nicht ausstellen wollten. (VL Mack, Inv. Nr. mkp.ZERO.1.123.). Die Ausstellung im Guggenheim wurde schließlich verschoben beziehungsweise zweigeteilt. Erst eine Schau amerikanischer Zeichenkunst und darauffolgend dann europäische Künstler. (NL Piene, mkp.ZERO.2.I.1954). Diese Ausstellung wurde schließlich verschoben, beziehungsweise zweigeteilt. Erst eine Schau amerikanischer Zeichenkunst und darauffolgend dann europäische Künstler.
Lawrence Alloway protegierte nicht nur die damals aufkommende Pop-Art, sondern beobachtete die europäische Kunstszene. Ein Werk Günther Ueckers aus der Sammlung des amerikanischen Künstlers George Rickey wurde zudem in der Gruppenausstellung On the Move. Kinetic Scupltures, 1964, in der Howard Wise Gallery, New York, präsentiert. Uecker war im darauffolgenden Jahr in acht Gruppenausstellungen in Amerika vertreten. Unter anderem wurden seine Werke im Zuge der Präsentation der Rickey Collection im Institute of History of Art in Albany gezeigt; im University Art Museum, Austin, welches die Ausstellung An Exhibition of Retinal and Perceptual Art präsentierte und in der Sachs Gallery, New York in der Ausstellung quantum I.[i]
Piero Dorazio (1927-2005), der zum erweiterten Kreis der ZERO-Künstler*innen hinzuzuzählen ist, lehrte zu dieser Zeit an der University of Pennsylvania. Bereits 1953 hatte Dorazio ein Jahr in Amerika verbracht und 1959 den Lehrauftrag an der University of Pennsylvania übernommen. Auf einer Postkarte ohne Datierung teilt er Piene mit, dass er ihn an der Universität für einen Semesteraufenthalt vorgeschlagen habe.
[i] Vgl. Hillings (wie Anm. 16), S. 220.
Ein Brief der University of Pennsylvania vom 5. März 1964 belegt, dass die Universität bereits 1963 versucht hatte, Piene als Gastdozenten für das Herbst/Wintersemester zu bekommen.[i]Dieser hatte aufgrund von Zeitmangel absagen müssen.
[i] Vgl. Piero Dorazio an Otto Piene, Philadelphia, o.D., Archiv der ZERO foundation, NL Piene, mkp.ZERO.2.I.1471.; Thomas B.A. Godfrey, Pennsylvania, Philadelphia, 20. Juni 1963, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, mkp.ZERO.2.I.1977_2.
„Last year we wrote you, too late I am afraid to enable you to make plans for a visit to Philadelphia in the Fall of 1963. We were very disappointed that you were unable to come, and I am again writing in the hope that we may interest you in spending one term with us as Visiting Critic in Painting […].“[i]
[i] G. Holmes Perkins an Otto Piene, Pennsylvania, Philadelphia, 5. März 1964, Archiv der ZERO foundation, NL Piene, mkp.ZERO.2.I.1753. Siehe auch Brief der Universität vom 19. Juli 1963, in dem Thomas B.A. Godfrey seine Enttäuschung über Pienes Absage zum Ausdruck bringt, NL Piene, mkp.ZERO.2.I.1973_2. Entwurf für Pienes Absage aufgrund des Zeitmangels für die Vorbereitungen,NL Piene, mkp.ZERO.2.I.1975_1 .
Während Pienes Lehrzeit wurde auch Heinz Mack an die Universität eingeladen, um sein Sahara-Projekt vorzustellen. „I understand from Otto that you will be in this country during the month of November and if you are in New York and can visit us at the School for a day, we should be happy […].“[i]
[i] Thomas B.A. Godfrey an Heinz Mack, Pennsylvania, Philadelphia, 1. Oktober 1964, Archiv der ZERO foundation, VL Mack, mkp.ZERO.1.I.965. Antwort von Mack, VL Mack, mkp.ZERO.1.I.966.
Zu diesem Zeitpunkt war ZERO in Amerika angekommen. Beinahe zeitgleich zu der Ausstellung in Pennsylvania präsentierte der Galerist Howard Wise die erste Ausstellung des „Triumvirats“ Mack, Piene, Uecker in seiner Galerie in New York.[i] Die deutsche Nachkriegskunst war in Amerika bis zu diesem Zeitpunkt relativ unbeachtet gewesen. Valerie Hillings ist der Meinung, dass „the interest in the show by the press marked a shift in American attitudes towards German art“.[iii]
[i] Vgl. Thekla Zell, „Wanderzirkus ZERO“, in: ZERO, hrsg. von Dirk Pörschmann, Magriet Schavemaker, Köln 2015, S. 19-176, hier S. 132.
[iii] Weitere Informationen zu ZERO und den USA in Rivers Ryan (wie Anm. 1); Kuhn (wie Anm. 1), S.51 f.; Hillings (wie Anm. 16), S. 223.